Digitalisierung tritt auf der Stelle – Ergebnisse der DIHK-Studie

Deutschland macht kaum Vortschritte bei der Digitalisierung.

Die Unternehmen in Deutschland bleiben bei ihrer durchwachsenen Selbsteinschätzung in punkto Digitalisierung. Dies geht aus einer aktuellen DIHK-Umfrage unter bundesweit mehr als 4.000 Betrieben hervor, die Ende 2022 zu ihren Motiven und zu den Herausforderungen bei der Umsetzung der Digitalisierung befragt wurden.

Alle Hintergründe und Ergebnisse zur Studie findest Du im nachfolgenden Artikel.

Ergebnisse der aktuellen DIHK Studie zeigen den Stillstand bei der Digitalisierung

Die Unternehmen sind zwar bestrebt, ihre Digitalisierung vorantreiben. Sie bewegen sich kontinuierlich nach vorne, doch sie haben Mühe, mit der rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit Schritt zu halten.

Häufig fehlt es an zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Auch die externen Herausforderungen bleiben bestehen: der Mangel an IT-Fachkräften, komplexe regulatorische Anforderungen, eine mangelnde digitale Verwaltung und Sicherheitsrisiken erschweren die Umsetzung.

Die Folge: Bei der Digitalisierung haben die Betriebe das Gefühl auf der Stelle zu treten.

Auf einer Schulnotenskala bewerten die Unternehmen ihren eigenen Digitalisierungsgrad mit einer Durchschnittsnote von 2,9 unverändert zum Vorjahr als nur „befriedigend“.

Die Fortschritte seien über alle Branchen hinweg kaum spürbar. Einzig der Bereich Verkehr hat 0,2 Prozentpunkte zugelegt. Handel, Industrie, Bau- sowie Gastgewerbe lediglich 0,1 Prozentpunkte. Andere Branchen hingegen bewerten ihren Digitalisierungsgrad unverändert oder sogar geringer als zuletzt im Vorjahr.

Primäre Ziele der Digitalisierung seien höhere Effizienz und Flexibilität

  • 43% der Unternehmen (Vorjahr: 39%) gaben an, mithilfe der Digitalisierung ihre laufenden Kosten senken zu wollen. So möchten Unternehmen beispielsweise ihre Prozesse analysieren, Ressourcen effizienter einsetzen oder Abläufe zu automatisieren. Dieses Motiv hat gegenüber dem Vorjahr an Bedeutung gewonnen (Zuwachs um vier Prozentpunkte). Besonders hoch ist der Anteil in der Industrie (55%) und im Bau (53%). In diesen Branchen lässt sich beispielsweise mithilfe von Daten die Auslastung von Maschinen optimieren, wodurch energie- und kostenintensive Leerläufe und Wartezeiten vermieden werden können.
  • Ganze 75% (Vorjahr: 51%) nutzen die Digitalisierung zur Flexibilisierung von Arbeitsabläufen – etwa durch ortsunabhängige Inspektion mithilfe von Virtual-Reality-Brillen. Auch der gestiegene Bedarf an mobilen Arbeitsmodellen spielt hierbei eine maßgebliche Rolle.
  • Digitalisierung zur Kundenbindung: Veränderte Kundenanforderungen wie der Wunsch nach individuell zugeschnittenen Angeboten oder die Erreichbarkeit auf verschiedenen Kanälen haben sich als langfristiger Treiber für Digitalisierung etabliert. Die Erhöhung der Kundenbindung wird als drittwichtigstes Motiv (42%) für Digitalisierung genannt. Von besonders hoher Bedeutung sind digitale Kundenbindungsmaßnahmen in der Finanzwirtschaft (71%), im Gastgewerbe (59%) und im Handel (54%). Diese Branchen sind von einer zunehmenden Verbreitung von digitalen Plattformmodellen und niedrigen Wechselbarrieren zu anderen Anbietern geprägt. Umso bedeutender wird es, möglichst individuell und zielgenau auf den Kunden und dessen Bedürfnisse einzugehen.
  • Die Fokussierung auf Flexibilität und Effizienz beschränkt den Spielraum für innovative Entwicklungen und neue Geschäftsmodelle. So sind bei den Digitalisierungs-Motiven Themen wie die strategische Unternehmensentwicklung (32% nach 37% im Vorjahr), Nutzensteigerung (28% nach zuvor 30%) oder Neuentwicklungen (26% nach 31%) rückläufig gegenüber der 2022.

„Beim Blick in die Motive für Digitalisierung macht sich das starke Bedürfnis der Unternehmen nach Effizienz und Flexibilität bemerkbar.“ […] „Das zeigt, dass die Unternehmen zwar in schrittweise Veränderungen investieren, große strategische Sprünge allerdings derzeit hintenanstellen müssen.“ so Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung.

Gründe warum die Digitalisierung in Deutschland nur langsam voranschreitet

Neben den unternehmensinternen Herausforderungen hemmen auch externe Faktoren die zügige Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben: Knapp jeder fünfte Umfrageteilnehmer (21%, im Vorjahr 24%) klagt über den anhaltenden Mangel an IT-Fachkräften.

Fachkräftemangel, Bürokratie und die Sorge vor Cyberkriminalität bremsen Fortschritte bei der Digitalisierung

  • Ein besonders kritischer Faktor ist Zeit. Gerade mit Blick auf die zahlreichen Herausforderungen, die die deutsche Wirtschaft derzeit belasten (u.a. Energiekrise/-wende, Lieferketten, Fachkräfte) fehlt es vielen Betrieben an zeitlichen Ressourcen, um Digitalisierungsvorhaben umzusetzen. Solange Krisenbekämpfung im Mittelpunkt steht, bleiben andere Themen – wie auch Digitalisierungsmaßnahmen – zurück. Bereits im vergangenen Jahr war der Zeitmangel ein erhebliches Problem; er steht nunmehr bei den Herausforderungen an erster Stelle (37% nach zuvor 36%).
  • 21% der befragten Unternehmer beklagen sich über den anhaltenden Mangel an IT-Fachkräften. Vor allem große Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten nennen den IT-Fachkräftemangel sogar als zweitgrößte Herausforderung (34%).
  • Der hohe zeitliche sowie finanzielle Aufwand der Digitalisierung rührt aus der Komplexität, die die Umstellung von Unternehmensprozessen mit sich bringt. Sie geht häufig mit umfassenden organisatorischen, strukturellen aber auch kulturellen Veränderungen im Betrieb einher. Die Umstellung vorhandener Prozesse und Strukturen macht es den Unternehmen nicht immer leicht und wird daher mit 34% als eine der drei größten Herausforderung genannt.
  • 30% der Unternehmen sehen hohe Abhängigkeiten von einzelnen externen Lösungen, was somit als viertgrößte Herausforderung eingestuft wird. Insbesondere die Umstellung auf Abo-Modelle und die damit verbundene wiederkehrende finanzielle Belastung hat gerade kleineren Unternehmen ihre hohe Abhängigkeit deutlich sichtbar gemacht. Kleinere Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten bewerten die Abhängigkeit kritischer als größere Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten (35% gegenüber 24%).
  • Zudem gaben 28% der Unternehmen an, dass sie bei der Transformation oftmals mit mangelnder Akzeptanz bei Mitarbeitenden oder Kunden konfrontiert seien.
  • Ein weiteres Problem sind umfangreiche Regularien und der enorme bürokratische Aufwand. So gaben 16% der Betriebe an, bei der Umsetzung rechtlicher Vorgaben verunsichert zu sein, bei kleinen Betrieben waren es sogar 23%.
  • Hinzukommt, dass der zunehmende Einsatz von Technologie und Vernetzung das Risiko für Unternehmen erhöht, Opfer von Cyberkriminalität zu werden.

Digitale Kompetenzen von großer Bedeutung

Kompetenzen im Bereich IT sind und werden immer wichtiger. Das Thema Kompetenzausbau hat für die Unternehmen damit hohe Priorität. Aus Sicht der Betriebe müssen dabei zuallererst die Grundlagen geschaffen werden: Um die mit der digitalen Transformation verbundenen Herausforderungen meistern zu können, braucht es digitales Verständnis. Dieses umfasst sowohl ein Prozessverständnis als auch die Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Entwicklungen und die Bereitschaft für Veränderungen in Prozessabläufen.

Weiterbildungsbedarf bei Digitalkompetenzen

  • 65% der befragten Unternehmen sehen hier dringenden Weiterbildungsbedarf. Besonders hoch ist der Anteil mit 70% in der Industrie.
  • 55% der Unternehmen sehen Weiterbildungsbedarf im Umgang mit den neuen Technologien.
  • 46% der Unternehmen sehen Weiterbildungsbedarf im Bereich Datenschutz und IT-Sicherheit.
  • Darüber hinaus möchten 44% die Datenkompetenz der Beschäftigten, also das Verständnis zur Analyse, Aus- und Verwertung von Daten, schulen.

Kompetenzen mit Blick auf die Entwicklung neuer digitaler Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle sind hingegen – ähnlich bei den Motiven – für viele Unternehmen von nachgelagerter Priorität, da die für diese Schritte erforderlichen Grundvoraussetzungen vielfach noch geschaffen werden müssen. Das unterstreicht erneut, dass große Digitalisierungssprünge derzeit nicht erreicht werden können.

Neue Herausforderungen bezüglich der Datennutzung

Daten und ihre Nutzung sind der Schlüssel für neue Geschäftsmodelle und effizientere Prozesse. Daher ist es für die Betriebe und die Wirtschaft insgesamt von großer Bedeutung, die vorhandenen Erkenntnisse in Form von Daten heben zu können. Hierfür gibt es jedoch aus Sicht der Wirtschaft eine Reihe von Hemmnissen.

  • 53% der Unternehmen gaben an, dass rechtliche Unsicherheiten die Datennutzung bremsen. Insbesondere herrscht große Unsicherheit darüber, ob eine Nutzung datenschutzkonform erfolgen kann oder nicht. Bereits die Abgrenzung, ob es sich um ein personenbezogenes Datum handelt oder nicht, bereitet vielen Unternehmen Schwierigkeiten. Vor allem kleinere Betriebe, die meist keine eigene Rechtsabteilung vorhalten können, fühlen sich überproportional stark belastet. In der Größenklasse bis zu neun Mitarbeitenden geben 61% an, durch rechtliche Unsicherheiten an der Nutzung von Daten gehindert zu werden.
  • 49% der Unternehmen haben an auf technische Hürden zu stoßen. Knapp die Hälfte aller Unternehmen fühlt sich bei der Datennutzung durch technische Hemmnisse ausgebremst, zum Beispiel fehlende Schnittstellen oder Standards. Dies hat zur Folge, dass die Datennutzung bzw. der Datenaustausch zwischen den unterschiedlichen Marktakteuren erschwert wird.
  • 42% der Unternehmen sehen fehlende Datenkompetenz. Dadurch gehen Entwicklungsansätze für neue datengetriebene Prozesse, Produkte und Dienstleistungen verloren. In der Industrie liegt der Anteil sogar bei 51%. Gerade hier sind die Potenziale der Datennutzung mit Möglichkeiten wie der vorausschauenden Wartung oder Produktionssteuerung durch die Vielzahl der generierten Daten durchaus beträchtlich. Jedoch existieren viele der generierten Daten im Unternehmen dezentral verstreut.

Aktuelle Nutzung digitaler Technologien

Beim Einsatz von digitalen Technologien im Unternehmen gibt es ebenfalls kleine Schritte nach vorne. Digitale Technologien sind Treiber für Effizienz und bieten viele Chancen und Potenziale, um Unternehmen bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen zu unterstützen. In nahezu allen Technologiefeldern hat sich der Anteil der Unternehmen, die die Technologie nutzen oder den Einsatz planen, gegenüber dem Vorjahr leicht gesteigert.

IoT-Anwendungen gewinnen an Fahrt

Eng verbunden mit dem Edge-Computing sind IoT-Anwendungen, die ebenfalls einen deutlichen Zuwachs erfahren haben
(19% gegenüber 17% im Vorjahr). IoT ist ein Sammelbegriff für Objekte, die über das Internet miteinander vernetzt werden, zum Beispiel Maschinen, Fahrzeuge oder Alltagsgegenstände wie smarte Küchengeräte oder Lampen. IoT-Anwendungen gewinnen mehr und mehr an Bedeutung, nicht zuletzt auch, weil sie einen wichtigen Beitrag für mehr Energieeffizienz leisten können, zum Beispiel die Steuerung einer Heizungsanlage per App. Wenig überraschend: Besonders häufig werden IoT-Anwendungen im Verkehr (26%) und in der Industrie (24%) eingesetzt.

Künstliche Intelligenz und Blockchain als wichtigste Zukunftstechnologie

Mit Blick auf den zukünftigen Einsatz von Technologien zeichnen sich vor allem Künstliche Intelligenz und Blockchain als Schwerpunkte ab. Hier planen jeweils 23% der Unternehmen innerhalb der nächsten drei Jahre die Einführung. Das Anwendungspotential erstreckt sich über alle Branchen hinweg.

Politischer Handlungsbedarf weiterhin groß

Dr. Ilja Nothnagel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der DIHK, fordert Veränderungen bei den Rahmenbedingungen.

„Die Politik darf digitalpolitische Vorhaben nicht auf die lange Bank schieben. Was wir jetzt brauchen, sind praxistaugliche regulatorische Anforderungen, die angemessen und rechtssicher ausgestaltet sind. […] Insbesondere datenschutzrechtliche Unklarheiten müssen geklärt werden, um eine langjährige Unsicherheit zu vermeiden.“

Diese politischen Maßnahmen erachten die befragten Unternehmen als besonders wichtig:

Hinweise zur Studie

Die vollständigen Ergebnisse aus der aktuellen DIHK Umfrage als PDF Download

Hinweise zur Erhebung:

Grundlage der Auswertung sind die Antworten von 4.073 Unternehmen aus acht verschiedenen Wirtschaftszweigen: Industrie (19 Prozent), Bauwirtschaft (7 Prozent), Handel (16 Prozent), Verkehr (5 Prozent), Gastgewerbe (6 Prozent), Information/Kommu- nikation (12 Prozent), Finanzwirtschaft (7 Prozent) und Sonstige Dienstleistungen (28 Prozent).

In regionaler Hinsicht kommen die Antworten zu 24 Prozent aus dem Norden Deutschlands, zu 29 Prozent aus dem Osten, zu 32 Prozent aus dem Westen, und zu 15 Prozent aus dem Süden. Dabei werden dem Norden die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, dem Westen die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, dem Osten die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie dem Süden die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern zugerechnet.

Die Umfrage fand im Zeitraum vom 7. November bis zum 2. Dezember 2022 statt.

Quelle: DIHK

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